Jahresfeste
Frühjahrs-Tagundnachtgleiche – Ostara
Ostara ist das Frühlingsfest, mit dem wir das neue Leben begrüßen und den Göttern danken, dass wir über den Winter gekommen sind. Die Freude, das Schlimmste überstanden zu haben, und die Dankbarkeit gegenüber den Göttern, die uns die Kraft dazu gaben, war stets ein wichtiges Element des Ostara-Festes und wird es auch immer bleiben müssen.
Deshalb ist das Fest neben Ostara, der Göttin des jungen Lebens und Lichts, auch den Gottheiten geweiht, die am engsten mit der Fruchtbarkeit in Beziehung stehen: den Vanen. Freyr und Freyja bitten wir um ihre Gunst, und besonders Nerthus, die in vielen Eigenschaften eins mit der Mutter Erde, aber auch eine Göttin des lebensspendenden Wassers ist.
Zu den Riten des Ostara-Festes gehört das Schöpfen des Osterwassers, das am Morgen der Tagundnachtgleiche durchgeführt wird. Frauen oder Mädchen schöpfen bei Sonnenaufgang schweigend aus einer natürlichen Quelle Wasser, das für Heilungen und Weihungen verwendet wird.
Sommersonnenwende – Mittsommer
Mittsommer ist ein Naturfest, das den Sieg der Sonne, den Gipfelpunkt ihrer Macht und ihres Segens am längsten Tag des Jahres feiert. Dank an die Sonne und die lichten Gottheiten, allen voran an Baldur, den hellsten der Asen, bestimmen das Fest. Zugleich aber ist es die Wende: Die Sonne zieht sich wieder zurück, die Tage werden wieder kürzer, das Jahresrad dreht sich wieder abwärts, auf die dunkle Hälfte zu.
Daher verbindet sich mit der Sonnenwende nicht nur der Triumph Baldurs, sondern auch sein Tod, der so unausweichlich ist wie der Lauf des Jahresrads. Wie der Aufstieg mit dem Abstieg der Sonne ist auch Baldur schicksalhaft mit seinem blinden, d.h. dunklen Bruder Hödur verbunden, der ihn tötet und mit dem er sich nach Ragnarök versöhnt und gemeinsam herrscht: wie Tag und Nacht, helle und dunkle Hälfte des Jahres. Im Gedenken an Baldurs Tod und der Hoffnung auf seine Wiederkehr verbinden wir daher den jährlichen Zyklus der Natur mit dem Werden und Vergehen des ganzen Kosmos.
Im Mittelpunkt des Festes steht das Sonnwendfeuer, es ist Zeichen ihres Triumphs, Kraft und Leben lodern in ihn, und es reinigt und heiligt, was mit ihm in Berührung kommt.
Herbst-Tagundnachtgleiche – Herbstfest
In der heutigen Zeit, da nur noch die wenigsten Leute Bauern sind, hat das Herbstfest für viele seine Bedeutung als Erntefest verloren.Heilig ist die Ernte, heilig das Land, auf dem wir sie einbringen, heilig sind die, von denen wir es geerbt haben.
Im Sinn dieses dreifachen Ursprungs der Ernte rufen wir beim Herbstfest die Erde, die Götter, Stellvertretend für alle Götter kann das Festgebet an Thor gerichtet werden, weil er der Sohn der Erde und der Spender des Regens ist. Angemessen ist natürlich auch ein Dankgebet an die Vanen. Auch Odin als Stammesgott kann angerufen werden.
Wintersonnenwende – Julfest
Das Julfest ist das größte Fest des heidnischen Jahres, das mit ihm endet und neu beginnt. Sein Name hängt mit dem alten germanischen Wort für „Rad" (nordisch hvel, englisch wheel, althochdeutsch wel, rund) zusammen und bezieht sich auf das Rad des Jahres, das zur Wintersonnenwende seinen Umlauf vollendet hat. Zum Abgleich zwischen Sonnenjahr und Mondmonaten wurden im alten Kalender Schalttage „zwischen den Jahren" eingefügt: die Raunächte.
Das Julfest hat mehrere Aspekte. Der grundlegende ist die Wintersonnenwende, mit der die Tage wieder länger werden und das Leben, das wie tot in der Erde ruht, in der dunkelsten Zeit wieder seinen neuen Kreislauf beginnt. Jul ist damit das Gegenstück zur Sommersonnenwende und ebenfalls ein Fest der Sonne und des Lichts, die in vielerlei Formen durch das Brauchtum gefeiert werden.
Mit zum Hauptaspekt von Jul als Fest der Erneuerung und des kommenden neuen Lebens gehört natürlich auch die Verehrung der lebensspendenden Vanen-Gottheiten, traditionell vor allem Freyrs, dem der Jul-Eber geweiht ist. Wir bitten ihn um „gute Ernte und Frieden" (ár ok fríðr) für das kommende Jahr, um die Fruchtbarkeit der Felder und, wenn wir Nachwuchs für unsere Sippe planen, um Zeugungskraft. Für die weiblichen Aspekte von Fruchtbarkeit und Sexualität beten wir zu Freyja. Auch Njörd für Wohlstand und Nerthus für die Kräfte des kommenden Frühlings kann man anrufen.
Der zweite Aspekt ist der von Sippe und Ahnen, der in den Julnächten, der Wende des Lebens, besondere Bedeutung hat. Wie die Sonne und die Natur sind die Ahnen in die Dunkelheit des Todes zurückgesunken, doch von dort wächst aus ihnen durch uns, die es weitertragen, das neue Leben. So ist das Julfest auch den Toten geweiht, zu deren Erinnerung wir das Julbier trinken. Ihre Gegenwart in der Wendezeit, wenn die Tore zwischen den Welten offen sind, drückt der Mythos der Wilden Jagd aus, in der Odin, der Allvater, an der Spitze der toten Ahnen über ihr Land reitet.
Beim Julfest opfern wir Met oder eigens gebrautes starkes Julbier, das wir auch zum Minni-(Gedächtnis-) Trinken brauchen, für das an der Wende des Jahres die richtige Zeit ist. Es ist auch die Zeit für Eide für das kommende Jahr, die traditionell auf den Jul-Eber abgelegt wurden. Haus und Hof werden mit Salbei geräuchert, um sie von der Last des alten Jahres zu reinigen. Alle Feuer und Lichtquellen werden gelöscht und neu entzündet. Geschenke werden ausgetauscht, um die Bande von Sippe und Gemeinschaft neu zu festigen.